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Institut für Show

 
 

Theater

Aufbau eines heutigen Theaters

In einem Theater arbeiten Menschen zusammen, die sehr unterschiedliche Berufe haben. Vor allem in den Theatern in öffentlicher Trägerschaft, aber auch in den meisten mit diesen vergleichbaren größeren Privattheatern wird arbeitsteilig „produziert“. Dort dürfen Schauspieler beispielsweise keine technischen Arbeiten verrichten. Von der guten Kooperation der künstlerisch und nichtkünstlerisch Beschäftigten hängt der Erfolg der Theater-Produktionen ab. Es gibt allerdings mehr Theater, in denen solch geteiltes Arbeiten nicht möglich und/oder nicht gewollt ist.

Organisatorischer Bereich

Theater in öffentlicher Trägerschaft werden in der Regel künstlerisch geleitet vom Intendanten (von der Intendantin). Intendanten von Stadttheatern zum Beispiel werden (für eine bestimmte Zeit) vom Rat der Kommune gewählt. Meistens ist ein (beamteter) Verwaltungsdirektor zur Seite gestellt. Die Intendanten-Verträge legen den Aufgabenbereich fest. Dazu gehören Einzelheiten, zum Beispiel ob und wie oft der Intendant (die Intendantin) selbst im eigenen Hause inszeniert, ob und wie viele auswärtige Regie-Arbeiten er/sie übernehmen darf. Es werden auch Rahmenbedingungen festgeschrieben, so die Zahl der (Neu-)Inszenierungen (in den Sparten und Genres) pro Spielzeit und vieles mehr.

In enger Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen wird für ein bis zwei Jahre im Voraus der komplette Spielplan erstellt. Er ist Grundlage für alle Dispositionen bis hin zum Lösen bisheriger Verträge und zu (Neu-)Verpflichtungen im Bereich künstlerisches Personal.

Das Künstlerische Betriebsbüro (KBB) ist Anlaufstelle und Sammelpunkt für alle Teilbereiche. Das KBB ist eine organisatorische Einheit, die alle Aufgaben, Personen und Vorgänge koordiniert.

Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ist für die Verbindungen nach „draußen“, zu den Medien und anderen Ansprechpartnern, verantwortlich; sie gibt Pressemitteilungen heraus, sie steuert die Werbung (Plakate, Flyer, Postkarten und Monatsleporello usw.), und es gibt in vielen Häusern Spezialisten für die Zusammenarbeit mit Besucherringen, Schulen, mit dem jungen Publikum und anderen Zielgruppen. Die Arbeit der Marketingabteilungen der Musicalhäuser und anderer Privattheater wird als zentral für den Erfolg des Hauses angesehen. Viele Leiter von Theatern in öffentlicher Trägerschaft setzen eher auf die vermeintliche Attraktivität ihres künstlerischen Angebotes, stehen dem „Verkauf“ ihrer Produkte reserviert gegenüber und verlassen sich auf immer weniger greifende herkömmliche Mittel und Wege beim Bemühen, ihr − oder ein neues − Publikum zu erreichen.


Die Verwaltung, zu der auch eine Personalabteilung gehört, plant, kontrolliert und bilanziert alle finanz- und verwaltungstechnischen Vorgänge. Der Etat der öffentlich getragenen Theater wird von den Trägern vorgegeben, inklusive der zu erzielenden Eigeneinnahmen. Dabei wird an einigen Häusern immer noch nach dem kameralistischen System verfahren, viele Theater haben aber bereits auf die Doppik, die aus der Industrie bekannte doppelte Buchführung umgestellt. In der Regel erhalten die Theater Budgets, die einen gewissen Spielraum beim Verwenden der Gelder zulassen, wobei etwa 85 % des Budgets für Personalausgaben gebunden sind. Für die Verwaltung fallen in der Regel etwa 9 % des Budgets an. [2]

Künstlerischer Bereich

Im Theater arbeiten viele Künstler auf und hinter der Bühne:

Technischer Bereich

Die meisten Theater haben eigene technische Abteilungen, unterteilt in

Lexikografie und Terminologie

Die gängigsten deutschsprachigen Bezeichnungen führte der Sprachwissenschaftler Kaspar von Stieler mit seinem Wörterbuch Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs (1691) in die Lexikografie ein. Schlagworte wie Kirchenmusik, Kammermusik und Tafelmusik waren hier erstmals aufgeführt. Die vielfältigen Komposita auf das Grundwort -musik in Bezug auf Instrumentation (Harmoniemusik), Funktion (Filmmusik) oder Technik (Serielle Musik) nahmen hier ihren Ursprung. An dieser Stelle änderte sich auch der Sprachgebrauch, der beim Grundwort -musik stets die klingende, sinnlich wahrnehmbare Musik meinte und sich nun endgültig vom Theoriebegriff der Musica schied. Als weiteren Beitrag zur Terminologie erarbeitete Johann Gottfried Walther im Musicalischen Lexikon (1732) eine große Anzahl an Definitionen wie z. B. die historischen Begriffe musica antica und musica moderna oder die ethnologischen musica orientalis und musica occidentalis.[33]


Musik

Musikalisches Material

Das Ausgangsmaterial der klingenden Musik sind Schallereignisse, d. h. Töne (periodische Schwingungen), Geräusche (nicht periodische Schwingungen), im Einzelfall Rauschen (Schwingungen mit statistisch normal verteilten Frequenzänderungen) und Knall (impulsartiger, unperiodischer Energieschub ohne Toncharakter). Sie sind zugleich deren natürlich auftretende Grundlage, die ohne Zutun des Menschen entsteht, vom Menschen aber ebenso willentlich erzeugt und in ihren einzelnen Parametern verändert werden kann.

Keiner der Parameter ist dabei unabhängig von den anderen zu betrachten, in der bewussten Steuerung der einzelnen Größen entstehen so Töne und Klänge, im engeren Sinne die Materialien, aus denen Ordnungsprinzipien hervorgehen, die zur Gestaltung von beliebig komplexen Raum-Zeit-Gebilden eingesetzt werden können: Melodik, Rhythmik, Harmonik. Aus ihnen wiederum entstehen letztlich in einem schöpferischen Prozess musikalische Werke.

Neben dem geordneten akustischen Material enthält die Musik als zweiten elementaren Bestandteil die geistige Idee, die nicht – wie Form und Inhalt – neben dem Material steht, sondern mit ihm eine ganzheitliche Gestalt bildet. Aus der Auseinandersetzung mit der geistigen Gestalt entstehen Tradition und Geschichte.[34]

Musikwissenschaft

Hauptartikel: Musikwissenschaft

Die Musikwissenschaft umfasst als Lehrplan diejenigen wissenschaftlichen Disziplinen, deren Inhalte die Erforschung und reflektierende Darstellung von Musik in ihren unterschiedlichen historischen, sozialen, ethnischen bzw. nationalen Erscheinungen sind im geistes-, kultur-, sozial- und naturwissenschaftlich-technischen Kontext. Gegenstand der Musikwissenschaft sind dabei sämtliche Ausprägungen von Musik, ihre Theorie, ihre Produktion und Rezeption, ihre Funktionen und Wirkungen sowie ihre Erscheinungsweisen vom musikalischen Ausgangsmaterial Schall bis zum komplexen Einzelwerk.[35]

Die Musikwissenschaft wird seit dem 20. Jahrhundert in drei Teilbereiche gegliedert, in die historische Musikwissenschaft, die systematische Musikwissenschaft und die Musikethnologie. Diese Gliederung ist nicht immer streng eingehalten. Während einerseits die Musikethnologie auch dem systematischen Zweig zugerechnet werden kann, werden andererseits praktische Bereiche als angewandte Musikwissenschaft bezeichnet.

Historische Forschungsbereiche der Musikwissenschaft sind eher idiographisch, also das Objekt im geschichtlichen Wandel beschreibend, die systematischen eher nomothetisch, d. h. sie suchen allgemeine, von Raum und Zeit unabhängige Aussagen zu treffen. Dessen ungeachtet sind die Wissenschaftsparadigmen der beiden Bereiche nicht als absolut zu betrachten, da auch die historische Musikwissenschaft Gesetzmäßigkeiten über die Zeitläufte hinweg zu erkennen versucht, während Systematik und Ethnologie die geschichtlichen Veränderungen ihrer Gegenstände berücksichtigen.[36]

Die historische Musikwissenschaft umfasst alle Teildisziplinen der musikalischen Geschichtsschreibung und widmet sich hauptsächlich der Erschließung von Quellen zur europäischen Kunst-, Volks- und Unterhaltungsmusik. Die systematische Musikwissenschaft dagegen ist stärker als ihr historisch orientierter Parallelzweig von Geistes- und Sozialwissenschaften, Natur- und Strukturwissenschaften beeinflusst und wendet deren erkenntnistheoretische und empirische Methoden an.

Die Musikethnologie behandelt die im Brauchtum der Ethnien existierende Musik. Von Interesse sind sowohl die Musikkulturen der Naturvölker, die nicht über Schrift und Notation verfügen, als auch – unter historischen Gesichtspunkten – die Musik der Hochkulturen und ihre Einflüsse. Wichtige Forschungsgegenstände sind Tonsysteme, Rhythmen, Instrumente, Theorie, Gattungen und Formen von Musik vor dem Hintergrund von Religion, Kunst, Sprache, soziologischer und wirtschaftlicher Ordnung.[37] Angesichts von Migration und Globalisierung werden auch inter- und transkulturelle Phänomene berücksichtigt.

Über den Kanon der musikwissenschaftlichen Disziplinen hinaus ist Musik Gegenstand der Forschung z. B. in Mathematik und Kommunikationswissenschaft, Medizin und Neurowissenschaft, Archäologie, Literatur- und Theaterwissenschaft. Dabei ist im Einzelfall zu unterscheiden, ob es sich um Musik als das Forschungsobjekt anderer Wissenschaften handelt oder ob die Musikwissenschaft außermusikalische Bereiche untersucht. Eine Sonderstellung nimmt die Musiktherapie ein, die medizinische und psychologische Erkenntnisse und Methoden mit solchen der Musikpädagogik verbindet.

Musik als Zeichensystem

Musik kann unter anderem auch als Zeichensystem betrachtet werden. So kann Musik intendierte Bedeutungen beim aktiven, verstehenden Hören kommunizieren. Das Hören stellt insofern einen strukturierenden Prozess dar, in dem der Hörer ikonische, indexikale und symbolische Zeichenqualitäten unterscheidet und kognitiv verarbeitet. Dies beruht einerseits auf den Urerfahrungen des Menschen, Schallereignisse bildhaft zu hören und zuzuordnen – z. B. Donner als bedrohliches Naturereignis – und emotional zu reflektieren, andererseits auf der ästhetischen Aneignung der akustischen Umwelt. Diese reicht von der Funktionalisierung der Tongebilde als Signale bis zur symbolischen Transzendenz ganzer Werke.[38]

Musik und Sprache

Die Ansicht von der Herkunft der Musik aus dem Ursprung der Sprache bzw. deren gemeinsame Abkunft aus einem Ursprung ist kulturanthropologisch begründet. Sie wurzelt in den Vorstellungen am Beginn der Kulturen. Widerspiegelungen der frühen schriftlosen Kulturen sind auch in der Gegenwart bei den Naturvölkern zu finden, teilweise in animistischer oder magischer Form. Die zu Beginn des Johannesevangeliums genannte Formel „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1 LUT) beschreibt einen der ältesten Gedanken der Menschheit, den Ursprung von Wort und Klang aus einem göttlichen Schöpfungsakt. Er tritt nahezu in allen Hochkulturen auf, in Ägypten als Schrei oder Lachen des Gottes Thot, in der vedischen Kultur als der unstoffliche und nicht hörbare Weltenklang, der die Ursubstanz ist, die sich nach und nach zu Materie verwandelt und zur geschaffenen Welt wird. Die Schöpfungsmythen zeichnen oft die Verstofflichung des phonetischen Materials zum Wort und zur Sprache nach.[39]

Überschneidungen von Musik und Sprache sind in Teilbereichen zu finden; beiden besitzen Struktur und Rhetorik. Syntax gibt es im klassischen Sinn bei der Musik nicht und Semantik kommt ihr in der Regel nur durch zusätzliche sprachliche Elemente zu. Musik ist daher keine Sprache, sondern nur sprachähnlich.[40]

Ein Hauptunterschied beider ist die Ausdrucks- und Kommunikationsfähigkeit semantischer Inhalte. Musik kann nicht sprechen und keine Denotate mitteilen. Sprache ist sie nur im metaphorischen Sinn, sie teilt kein Bezeichnetes mit. Um Musik ästhetisch zu "verstehen", muss der Hörer die innermusikalischen Definitionsprozesse nachvollziehen, die die Musik als System ordnen, z. B. in Abhängigkeit von einem tonalen Kontext auflösungsbedürftige Dissonanzen erkennen. Wo Sprachähnlichkeit auftritt, wie in der an regelhafter Rhetorik orientierten Musik im Sinne der Freien Künste im Mittelalter und im Barock, kann der Hörer dieselbe Musik grundsätzlich auch ohne Verstehen oder Kenntnis der Regeln und ohne Wissen um einen zeichenhaften Kontext als Musik hören. Musikalisches Denken und poetisches Denken sind autonom.[41]

Musik und Architektur

Die Vorstellung von der Verwandtschaft zwischen Musik und Architektur existiert seit der Antike. Sie beruht auf den gemeinsamen mathematischen Grundlagen. Die Pythagoreer verstanden die Intervallproportionen als Ausdruck einer kosmischen Harmonie. Musik war nach ihrer Anschauung eine Erscheinungsweise der Zahlenharmonie, die auch in schwingenden Saiten konsonante Intervalle ergibt, wenn deren Längen in einfachen ganzzahligen Verhältnissen stehen. Die Zahlenproportionen galten bis in die frühe Neuzeit als Ausdruck von Schönheit, wie auch nur die Künste, die Zahlen, Maße und Proportionen anwenden, in Antike und Mittelalter als geeignet galten, Schönes zu schaffen. Vitruvs architekturtheoretische Schrift De architectura libri decem nahm ausdrücklich Bezug auf die antike Musiktheorie, die er als Verständnisgrundlage für die Architektur bezeichnete.

Die mittelalterliche Architektur griff die antiken Ideen in christlicher Sinngebung auf. Die Gotik zeigte vielfach Intervallproportionen in den Hauptmaßen der Kirchenbauten. Vorbildhaft war der salomonische Tempel, dessen Gestalt u. a. Petrus Abaelardus als konsonant ansah. Auch komplexe mathematische Phänomene wie der Goldene Schnitt und die Fibonacci-Folge wurden christlich gedeutet. Sie erscheinen gleichermaßen in Filippo Brunelleschis Kuppelentwurf von Santa Maria del Fiore wie auch in Guillaume Du Fays Motette Nuper rosarum flores (1436). Das Werk zur Weihe des Doms von Florenz weist dieselben Zahlenproportionen in Stimmverlauf und Werkstruktur auf, die die Architektur der Kuppel bestimmt hatte.

Der Theoretiker Leon Battista Alberti definierte in der Renaissance eine Architekturlehre auf der Grundlage der vitruvianischen Proportionstheorie. Er entwickelte Idealproportionen für Raumgrößen und -höhen, Flächenunterteilungen und Raumhöhen. Andrea Palladios Quattro libri dell’architettura (1570) systematisierte diese Proportionslehre auf der Basis von Terzen, die in Gioseffo Zarlinos Le istituzioni armoniche (1558) erstmals als konsonante Intervalle anerkannt worden waren. Damit vollzog sich ein bis in die Gegenwart reichender Wandel der Harmonik.[52]

Unter dem Einfluss der neuzeitlichen Musikästhetik trat der musikalische Zahlenbezug in der Architekturtheorie allmählich in den Hintergrund. Das Geschmacksurteil als Kriterium der ästhetischen Beurteilung setzte sich durch. Erst im 20. Jahrhundert gerieten Zahlenproportionen als architektonische und musikalische Parameter erneut in den Rang konstruktiver Elemente. Auf architektonischem Gebiet war dies Le Corbusiers Modulor-System. Dessen Schüler Iannis Xenakis entwickelte in der Komposition Métastasis (1953/54) die architektonische Idee in der Neuen Musik. Danach setzte er die kompositorische Gestaltung im Entwurf des Philips-Pavillon auf der Expo 58 in Brüssel architektonisch um.[53]

Synthetische Kunstformen

Unter den synthetischen Kunstformen, die nach dem Ende des universell gültigen Harmonieprinzips entstanden, wurde Richard Wagners Konzept des Gesamtkunstwerks bedeutend für das 19. Jahrhundert. Die Architektur nahm darin eine dienende Stellung zur Verwirklichung der musikalischen Idee ein. Sie hatte die praktische Raumumgebung für die Einheit der Künste, d. h. des Musikdramas zu schaffen. Wagner verwirklichte seine Ansprüche im von Otto Brückwald erbauten Festspielhaus in Bayreuth.

Der Expressionismus nahm im frühen 20. Jahrhundert die Kunstsynthese auf. Die zentrale Vision, den Menschen die sozialen Grenzen überwinden zu lassen, führte zu vielen Kunstentwürfen, von denen einige nie realisiert wurden. Dazu gehörte Alexander Nikolajewitsch Skrjabins kugelförmiger „Tempel“ für das Mysterium (1914), ein aus Wort, Klang, Farbe, Bewegung und Duft zusammengesetztes Offenbarungswerk.

Die Kunstströmungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts integrierten musikalische Elemente in multimedialen Formen, in „Klang-Skulpturen“ und „Ton-Architektur“. Architektur bekam zunehmend eine zeitliche, Musik eine Raumkomponente. Karlheinz Stockhausen verband seine Vorstellungen von Raummusik in einem Kugelauditorium, das er auf der Expo 70 in Ōsaka installierte. Die Hörer saßen darin auf einem schalldurchlässigen Boden, umgeben von elektronischer Musik. Die im Raum verteilten Lautsprecher erlaubten es, die Klänge im Raum zu bewegen.[54]

Architektur und Raumakustik

Die im 16. Jahrhundert entwickelte Mehrchörigkeit, die unter den europäischen Musikzentren vor allem am venezianischen Markusdom gepflegt wurde, nutzte die Wirkung mehrerer Ensembles im Raum. Kammermusik und Kirchenmusik trennten sich nach Instrumentation, Satzregeln und Vortragsweise. Sie passten sich an die Akustik ihrer Aufführungsorte an. Dazu entwickelte die Architektur eigene Raumtypen, die der Musik gewidmet waren und ihrer Aufführung akustisch vorteilhafte Bedingungen schufen. Die ersten Kammern entstanden in den fürstlichen Palästen, später in Schlössern und Stadtwohnungen. Damit änderte sich auch das Hörverhalten: Musik wurde um ihrer selbst willen gehört, frei von funktionaler Bindung und zum reinen Kunstgenuss.

Das öffentliche Konzertwesen entstand gegen Ende des 17. Jahrhunderts in London. Musikveranstaltungen fanden nun nicht mehr nur in Festsälen, Wirtshäusern oder Kirchen statt, sondern in eigens dafür errichteten Konzerthäusern. Zwar fassten die Säle dieser Zeit nur einige Hundert Hörer, hatten noch keine feste Bestuhlung und dienten neben der Musik auch allerlei Festanlässen, sie wiesen aber bereits eine erheblich verbesserte Raumakustik auf, in der die Orchestermusik zur Geltung kam. Vorbildhaft war der erste Bau des Leipziger Gewandhauses (1781). Nach seiner Gestaltung als schmaler und langer Kastensaal mit Bühnenpodium und ebenem Parkett entstanden im 19. Jahrhundert viele weitere Säle, die das kulturell interessierte Bürgertum als Stätten der Musikpflege nutzte.[55]

Insbesondere die sinfonischen Werke der romantischen Musik mit ihrer vergrößerten Orchesterbesetzung profitierten von den Konzerthäusern. Die Akustik dieser Säle verband Klangfülle mit Durchhörbarkeit; die schmale Bauform führte zu starker Reflexion des Seitenschalls, das im Verhältnis zur Innenfläche große Raumvolumen optimierte die Nachhallzeit auf ein Idealmaß von anderthalb bis zwei Sekunden. Die Größe der Säle – sie fassten nun ungefähr 1.500 Hörer – folgte daraus, dass sich Abonnementskonzerte als Teil des städtischen Kulturlebens etabliert hatten. Die bedeutendsten Konzertstätten dieser Epoche sind der Große Saal des Wiener Musikvereins (1870), das Neue Gewandhaus in Leipzig (1884) und das Amsterdamer Concertgebouw (1888).

Neue technische Möglichkeiten und die Notwendigkeit, Säle durchgehend wirtschaftlich zu bespielen, veränderten die Architektur in der Moderne. Freitragende Balkone, künstlerisch gestaltete Säle in asymmetrischer oder Trichterform und ein Fassungsvermögen von bis zu 2.500 Plätzen prägten die Konzerthäuser im 20. Jahrhundert. Die Philharmonie in Berlin und die Royal Festival Hall in London waren zwei bedeutende Vertreter neuer Bautypen. Letztere war der erste Konzertsaal, der nach akustischen Berechnungen erbaut wurde. Seit den 1960er-Jahren ist ein Trend zu verzeichnen, Säle mit variabler Akustik zu bauen, die sich für verschiedene Musikarten eignen.[56]

Musik und Bildende Kunst

Die mannigfachen Beziehungen zwischen Musik und Bildender Kunst zogen sich historisch gleichermaßen durch die theoretische Betrachtung beider Künste wie durch die praktische Arbeit, die sich in wechselseitigen Beeinflussungen niederschlug. Zunehmend bezogen bildende Künstler und Komponisten die andere Kunst in ihr Schaffen ein, bildeten projektbezogene Arbeitsgemeinschaften oder schufen gemeinsam multimediale Werke. Die Kunst- und Musikgeschichte führt etliche bekannte und populäre Werke der Malerei, die in die Musik eingingen: Franz Liszts Hunnenschlacht nach Wilhelm von Kaulbachs Gemälde, Modest Petrowitsch Mussorgskis Bilder einer Ausstellung nach den Vorwürfen von Wiktor Alexandrowitsch Hartmann, Arnold Böcklins Toteninsel, die neben Max Regers und Sergei Wassiljewitsch Rachmaninows sinfonischen Dichtungen noch anderen Komponisten als Sujet diente. Dem stehen Komponistenporträts und unzählige Genrebilder Musizierender gegenüber, die auch der Ikonografie als Forschungsmaterial dienen.

Nicht immer sind Parallelentwicklungen festzustellen. Nur Teile der Stilgeschichte fanden eine Entsprechung in der Gegenseite. Kunsthistorische Begriffe wie Symbolismus, Impressionismus oder Jugendstil sind weder klar voneinander abzugrenzen noch ohne weiteres auf die Musik übertragbar. Wenn beispielsweise ein Vergleich zwischen den Bildgestalten Claude Monets und der „impressionistischen“ Musik Claude Debussys gezogen und durch das Zerfließen der Form oder der Darstellung der Atmosphäre erklärt wird, so steht dies im Widerspruch zu Debussys Ästhetik. Ebenso sind parallele Erscheinungen wie die Neue Sachlichkeit nicht eindimensional zu erklären, sondern nur aus ihren jeweiligen Tendenzen; während sie in Kunst und Literatur eine Abgrenzung zum Expressionismus war, wandte er sich in der Musik gegen die Romantik.[57]

Antike und Mittelalter

Das antike Künsteverhältnis trennte klar die metaphysischen Ansprüche von Musik und Bildender Kunst. Die Doppelgestalt von μουσική – einerseits Kunst, andererseits die geistige Beschäftigung mit ihr – wurde als ethisches und erzieherisches Gut geschätzt. Die Malerei allerdings galt als schlecht und nur Schlechtes erzeugend, wie Platons Politeia ausführt, da sie nur eine nachahmende Kunst sei. Der Unterschied, der keinesfalls ästhetisch zu verstehen ist, beruhte auf der pythagoreischen Lehre, die die Musik als Widerspiegelung der kosmischen Harmonie in Gestalt der Intervallproportionen verstand. So fand die Malerei in den Artes liberales folgerichtig keinen Platz.

Diese Ansicht hielt sich bis in die Spätantike. Der byzantinische Bilderstreit stellte die heftigste politisch-religiös motivierte Kunstablehnung dar, die jedoch die Musik nicht berührte: diese fand als überformtes Symbol der göttlichen Weltordnung aus Maß und Zahl Eingang in den christlichen Kult und in die Liturgie. Das Mittelalter schrieb diese Trennung fest und fügte die Bildende Kunst in den Kanon der Artes mechanicae.[58]

Von der Renaissance bis zur Aufklärung

Die Aufwertung der Malerei zur Schönen Kunst begann in der Renaissance mit dem Hinweis auf die kreative Leistung der Bildenden Künstler. Sie wurde zwar weiterhin unter die Musik gestellt, die in Leon Battista Albertis Kunsttheorie Modell zum Modell für die Architektur wird, sie stand andererseits schon über der Poesie. Eine erste Verwissenschaftlichung der Malerei unternahm Leonardo da Vinci, für den sie die Musik übertraf, da ihre Werke dauerhaft sinnlich erfahrbar sind, während Musik verklingt. Dieser Prozess setzte ein vor dem Hintergrund des weltlichen Humanismus, der der Kunst weder eine staatsphilosophische noch eine religiöse Bedeutung zumaß.

Die Aufklärung stellte den Menschen als das betrachtende und empfindende Subjekt endgültig in den Mittelpunkt. Aus dieser Positionierung von autonomer Kunst gegenüber der Wissenschaft entwickelte sich das Kunstverständnis, das bis in die Gegenwart vorherrscht. Die Künste entwickelten in der Folge jeweils eigene ästhetische Theorien.[59]

18. und 19. Jahrhundert

Seit Alexander Gottlieb Baumgartens Aesthetica (1750/58) rückt Kunst selbst in die Nähe der Philosophie bzw. wird als eigene philosophische Disziplin betrachtet. Damit verlor die Musik ihre Sonderstellung innerhalb der Künste und wurde in die Schönen Künste eingegliedert, die ihre Rangordnung durch eigene Ästhetiken neu bestimmten. Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft (1790) rechnete sie auch den angenehmen Künsten zu, d. h. sie ist nun als Schöne Kunst der Malerei über-, als angenehme Kunst ihr aber untergeordnet, da sie mehr Genuss denn Kultur bedeutet.

Ein grundlegender Umschwung geschah in der romantischen Ästhetik, die eine Verschmelzung der Künste und Kunstideale anstrebte. Sinnfällig wird dies in Robert Schumanns Parallelisierung der Kunstanschauungen.

„Der gebildete Musiker wird an einer Raphael’schen Madonna mit gleichem Nutzen studiren können wie der Maler an einer Mozart’schen Symphonie. Noch mehr: dem Bildhauer wird jeder Schauspieler zur ruhigen Statue, diesem die Werke jenes zu lebendigen Gestalten; dem Maler wird das Gedicht zum Bild, der Musiker setzt die Gemälde in Töne um.“

Robert Schumann: Aus Meister Raro's, Florestan's und Eusebius’ Denk- und Dichtbüchlein[60]

Einzigartigkeit stellte die Musik indes in Arthur Schopenhauers Rückgriff auf die Antike dar; er verneint in der Welt als Wille und Vorstellung (1819) ihre mimetischen Eigenschaften.[61]

Kunsttheorien im 19. und 20. Jahrhundert

Im späten 19. Jahrhundert folgte die Begründung von Kunstgeschichte und Musikwissenschaft an den geisteswissenschaftlichen Universitätsfakultäten. Die Musik war damit auch in ihrer wissenschaftlichen Betrachtung von Bildender Kunst und Architektur geschieden.

Die symbolistische und impressionistische Malerei, Musik und Literatur und die beginnende Abstraktion veränderten das Verhältnis durch zunehmende Reflexion der Künstler über die benachbarten Künste, das auch Aspekte des eigenen Schaffens einbezog. Ein romantisches Musikverständnis prägte Paul Gauguin:

« Pensez aussi à la part musicale que prendra désormais la couleur dans la peinture moderne. La couleur qui est vibration de même que la musique est à même d’atteindre ce qu’il y a de plus général et partant de plus vague dans la nature: sa force intérieure. »

„Denken Sie auch an den musikalischen Part, der künftig in der modernen Malerei die Rolle der Farbe einnehmen wird. Die Farbe ist genauso Schwingung, wie die Musik zu erreichen in der Lage ist, was das Allgemeinste und dabei doch am wenigsten Klare in der Natur ist: ihre innere Kraft.“

Paul Gauguin: Brief aus dem Jahr 1899 an André Fontainas[62]

Henri Matisse beschrieb seinen Schaffensprozess als musikalisch. Mit der Schrift Über das Geistige in der Kunst (1912) löste Wassily Kandinsky die Goethe’sche Kritik ein, in der Malerei fehle „(…) schon längst die Kenntnis des Generalbasses (…) [und] an einer aufgestellten, approbierten Theorie, wie es in der Musik der Fall ist“.[63] Er deutete sie als prophetische Äußerung, die eine Verwandtschaft der Künste ankündige, besonders der Musik und der Malerei. Dies ist gemeint als Rückbezug auf das kosmologische Prinzip, wie es den Pythagoreern zur metaphysischen Begründung der Musik erschien, und zugleich als seine Ausweitung auf die Bildende Kunst. Paul Klee schloss sich in seinen Bauhaus-Vorlesungen dahin gehend an, dass er die musikalische Terminologie zur Erklärung der Bildenden Kunst verwandte. Später entwarf er eine Kunstpoetik auf der Basis musiktheoretischer Fragen.

Das Verhältnis von Musik und Bildender Kunst nach 1945 wuchs aus ästhetischen Theorieansätzen. Im Vordergrund stand eine systematische Klassifizierung der beiden Künste. Theodor W. Adorno trennte sie aus seiner Sicht notwendigerweise in Musik als Zeitkunst und Malerei als Raumkunst. Grenzüberschreitungen sah er als negative Tendenz.

„Sobald die eine Kunst die andere nachahmt, entfernt sie sich von ihr, indem sie den Zwang des eigenen Materials verleugnet, und verkommt zum Synkretismus in der vagen Vorstellung eines undialektischen Kontinuums von Künsten überhaupt.“

Theodor W. Adorno: Über einige Relationen zwischen Musik und Malerei[64]

Er erkannte an, dass die Künste Zeichensysteme seien und von gleichem Gehalt sind, dessen Vermittlung sie Kunst sein lasse. Die Unterschiede hielt er allerdings für bedeutender als die Gemeinsamkeiten. Für Nelson Goodman stellten sich die Probleme der Kunstdifferenzierung als erkenntnistheoretisch, so dass er an Stelle einer ästhetischen generell eine Symboltheorie setzen wollte. Als Grenze des Ästhetischen zum Nicht-Ästhetischen betrachtete er den Unterschied von Exemplifikation und Denotation: während die Bildende Kunst autographisch sei, da ihre Werke nach dem Schaffensprozess sind (worin sich auch Original und Fälschung unterscheiden) ist die zweiphasige Musik allographisch, denn ihre notierten Werke erfordern erst eine Aufführung – wobei diese Unterscheidung sich nur auf Kunst erstreckt.[65]

Musikalität

Musikalität umfasst ein vielfach abgestuftes Merkmalsfeld an einander bedingenden Begabungen und erlernbaren Fähigkeiten. Sie ist nicht als absoluter Maßwert zu verstehen, da sie in vielen unterschiedlichen aktiven und passiven Formen erscheinen kann. Es existieren zahlreiche Testmodelle zur Musikalitätsmessung, von denen u. a. der Seashore-Test im Rahmen von Aufnahmeprüfungen angewandt wird. Grundsätzlich ist Musikalität bei jedem Menschen universell vorhanden.

Zur musikbezogenen Wahrnehmung gehören das Erkennen und Differenzieren von Tonhöhen, Tondauern und Lautstärkegraden. Dem absoluten Gehör kommt bei den Leistungen des Langzeitgedächtnisses eine besondere Bedeutung zu. Zu diesen Fähigkeiten zählen auch das Auffassen und Behalten von Melodien, Rhythmen, Akkorden oder Klangfarben. Bei zunehmender Erfahrung im Umgang mit Musik entwickelt sich die Befähigung, Musik stilistisch einzuordnen und ästhetisch zu bewerten. Zur praktischen Musikalität gehören die produktiven Fertigkeiten, die Stimme oder ein Musikinstrument technisch zu beherrschen und mit ihnen musikalische Werke künstlerisch zu gestalten.

Eine musikalische Veranlagung ist die Voraussetzung, damit sich Musikalität bis zu einem entsprechenden Grad entwickeln kann. Sie ist jedoch nicht deren Ursache, so dass durch intensive Förderung – etwa an Musikgymnasien oder durch Begabtenförderung – die volle Ausprägung von Musikalität sich erst entfalten lässt.[66]

Musikpädagogik

Hauptartikel: Musikpädagogik

Die Musikpädagogik ist eine eng mit anderen pädagogischen Bereichen verbundene Wissenschaftsdisziplin, die die theoretischen und praktischen Aspekte von Bildung, Erziehung und Sozialisation in Bezug auf Musik umfasst. Sie greift einerseits die Erkenntnisse und Methoden der allgemeinen Pädagogik, der Jugendforschung und Entwicklungspsychologie sowie mehrerer musikwissenschaftlicher Teilbereiche auf, andererseits die Praxis des Musizierens und der Musikübung. Ihre Ziele sind die musikalische Akkulturation und der reflektierende Umgang mit Musik im Sinne einer ästhetischen Bildung.

Bereits die antiken Hochkulturen kannten eine geregelte Musikerziehung. Sie nahm in Ägypten und im alten China eine feste Stellung innerhalb des öffentlichen Lebens ein. Die in den abendländischen Kulturen geltenden musischen Erziehungsvorstellungen sind griechischer Herkunft. Platon maß der Musik im dritten Buch seiner Politeia eine hohe Bedeutung zu, da sie Charakter und Seele bilde und als Ordnungsstruktur eine Analogie zum Staatswesen darstelle. Aristoteles betrachtete in seiner Poetik die Musik als mimetische Kunst; er billigte ihr gleichermaßen eine heilende und eine sittlich bildende Wirkung zu.

Die Musikerziehung des Mittelalters fand unter Aufsicht der Kirche vor allem in Kloster- und Domschulen statt. Ihre Lehrinhalte entsprachen der spekulativen Musiktheorie der Zeit, die zum zahlenorientierten Quadrivium innerhalb der Artes liberales gehörte. Die instrumentale sowie sämtliche weltliche Musik gehörte in den Bereich der Spielleute, die einen unehrlichen Beruf ausübten und einer sozial wenig geachteten Schicht angehörten.

Der Humanismus und die Reformationszeit befassten sich mit vermehrt mit musikerzieherischen Fragen, so dass sich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine theoretisch fundierte Wissenschaft entwickelte. Anregungen stammten von Johann Heinrich Pestalozzi, Johann Gottfried Herder, Jean-Jacques Rousseau, Johann Adam Hiller und Johann Wolfgang von Goethe. Das 19. Jahrhundert stellte in der ersten Hälfte die fachlich-künstlerische Ausbildung heraus und die – im heutigen Sinne pädagogische – soziale Ausrichtung des Faches. In der zweiten Jahrhunderthälfte folgten unter der Wirkung des Neuhumanismus staatliche Bestimmungen, die jedoch die Schulmusik nicht zu einem etablierten und eigenständigen Fach erheben konnten. Dies gelang erst im 20. Jahrhundert mit der einsetzenden pädagogischen Reflexion über ästhetische, psychologische und soziologische Fragen, über Sinn und Wirkung von Musik und über Kunstrezeption verschiedenster Musikformen.

Die Grundgedanken der Schulmusik gingen von der Jugendmusikbewegung aus, deren stärkster Förderer Fritz Jöde vor allem das gemeinsame Singen von Volksliedsätzen propagierte und das praktische Musizieren vor die Musikbetrachtung stellte. Dies stieß nach 1950 u. a. bei Theodor W. Adorno auf Kritik, der die gesellschaftliche Bedingtheit des Kunstwerks und dessen kritische Funktion nicht ausreichend berücksichtigt sah.

„Der Zweck musikalischer Pädagogik ist es, die Fähigkeiten der Schüler derart zu steigern, daß sie die Sprache der Musik und bedeutende Werke verstehen lernen; daß sie solche Werke so weit darstellen können, wie es fürs Verständnis notwendig ist; sie dahin zu bringen, Qualitäten und Niveaus zu unterscheiden und, kraft der Genauigkeit der sinnlichen Anschauung, das Geistige wahrzunehmen, das den Gehalt eines jeden Kunstwerks ausmacht. Nur durch diesen Prozeß, die Erfahrung der Werke hindurch, nicht durch ein sich selbst genügendes, gleichsam blindes Musizieren vermag Musikpädagogik ihre Funktion zu erfüllen.“

Theodor W. Adorno: Dissonanzen[67]

Die Kritik erzeugte in ihrer Folge eine Öffnung des Musikunterrichts für viele Richtungen, u. a. für die Ideen der Aufklärung in den Schriften des Pädagogen Hartmut von Hentig. Vorstellungen wie Kreativität und Chancengleichheit wurden ebenso wichtig wie eine kritische Wahrnehmungserziehung zum emanzipierten Verhalten in einer akustisch zunehmend überladenen Umwelt. Auch Popularmusik und Musik außerhalb des europäischen Kulturkreises spielen seitdem eine Rolle.[68] Neue Strömungen außerhalb der Schulpädagogik stellen musikalische Erwachsenenpädagogik und Musikgeragogik für alte Menschen dar.

Musiktherapie

Hauptartikel: Musiktherapie

Musiktherapie ist eine Methode der angewandten Psychologie. Sie setzt gezielt Musik ein, um in einem Therapieverfahren die seelische, körperliche und geistige Gesundheit wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern. Sie steht in enger Beziehung mit der Medizin, aber auch mit Pädagogik, Psychologie und Musikwissenschaft. Im Rahmen musiktherapeutischer Anwendungen werden unterschiedliche Verfahren angewendet, die sich stets von pharmakologischer, d. h. arzneimittelunterstützter, und physikalischer Therapie abgrenzen. Als Methoden eignen sich tiefenpsychologische, verhaltenstherapeutische, systemische, anthroposophische und ganzheitliche Therapieformen.[69]

Bereits bei den Naturvölkern kam der Unheil abwehrenden und magischen Kraft von Musik eine große Bedeutung zu. Sie ist im Alten Testament erwähnt bei der Heilung Sauls durch Davids Spiel auf dem Kinnor (1 Sam 16,14 ff. LUT) und in der griechischen Antike als Kathartik, d. h. Reinigung der Seele. In der Neuzeit erhielt sie zunehmende Bestätigung und Nachweise ihrer Wirkung durch die Wissenschaften.[70]

Die medizinischen Anwendungsbereiche der Musiktherapie sind Psychiatrie (mit Kinder- und Jugendpsychiatrie), Geriatrie, Neurologie, Heilpädagogik und psychosomatische Medizin.[71] Therapeutische Verfahren werden bei zahlreichen Diagnosen eingesetzt, u. a. bei funktionalen, somatoformen und hirnbedingten Störungen, bei Psychosen und Neurosen, Missbrauchs- und Abhängigkeitsstörungen, sowie bei der Arbeit mit behinderten Menschen. Die musiktherapeutische Behandlung geschieht passiv durch Hören von und Reagieren auf Musik oder aktiv durch Musizieren des Patienten.

Den Beruf des Musiktherapeuten auszuüben erfordert den Abschluss in einem anerkannten Studiengang, der in zahlreichen Ländern an staatlichen Hochschulen gelehrt wird.[70]

Ästhetische Aspekte

Mit der zunehmenden Komplexität ihrer Erscheinungsformen entsteht Musik als Kunstform, die ihre eigene Anschauung und Ästhetik entwickelt. Im Laufe der Geschichte – in Europa etwa seit dem Spätmittelalter an der Grenze zur Renaissance – tritt das Einzelwerk des individuellen Komponisten in den Vordergrund, das nun in der Musikgeschichtsschreibung in seiner zeitlichen und gesellschaftlichen Stellung betrachtet wird. Das musikalische Kunstwerk gilt seitdem als Ausdruckswille seines Schöpfers, der damit auf die musikalische Tradition Bezug nimmt. Seine Absichten halten Notenschrift, teilweise auch zusätzliche Kommentare fest, die Musikern als Hinweise zur Interpretation dienen. Diese kann der Absicht des Komponisten folgen, muss es aber nicht; sie kann sowohl eigene Anregungen einbringen als auch Intention und Funktion des Werks außer Acht lassen – dies geschieht zum Beispiel bei der Verwendung sinfonischer Werke als Ballettmusik oder bei der Aufführung von Filmmusik im konzertanten Rahmen.

Nicht immer erhebt Musik den Anspruch, Kunst zu sein. So trägt die Volksmusik aller Ethnien in der Geschichte kaum das Einmalige und Unverwechselbare in sich, das ein Kunstwerk eigentlich ausmacht; sie besitzt zudem keine festgelegten Formen, sondern nur Ausformungen von Modellen und ändert durch mündliche Überlieferung, Umsingen oder Zersingen, ähnlich dem Kinderlied, die Melodien im Laufe der Zeit. Auch bei der Improvisation existiert keine feste Form, sie ist einmalig, nie genau zu wiederholen und lässt sich schriftlich kaum aufzeichnen. Gleichwohl ist sie im Jazz und in der Solokadenz Bestandteil musikalischer Werke, in der Aleatorik das Ergebnis einer „offenen“ Gestaltungsabsicht, in den indischen Modellen Raga und Tala wie auch in den Maqamāt der klassischen arabischen Musik eine durch strenge Regeln bestimmte Kunstmusik, die in ihrer gesamten zeitlichen Ausdehnung und Binnenstruktur nicht festgelegt ist, sondern dem Musiker und seiner Intuition oder Virtuosität obliegt. Im 21. Jahrhundert wird für Improvisationsformen zunehmend der Begriff Spontankomposition verwendet.

Das Hören und Verstehen von Musik ist ein mehrstufiger ästhetisch-semiotischer Prozess. Der Hörer nimmt die physikalischen Reize auf und stellt die Beziehungen ihrer einzelnen Qualitäten wie Tonhöhe, -dauer usw. untereinander her, um dann Motive und Themen als kleinere, Periode und Satz als größere Ordnungen zu erkennen und schließlich Formen und Gattungen zu erfassen. Daneben erschließen sich Sinn und Bedeutung von Musik aus ihrer Zeichenstruktur, die sprachähnliche Züge aufweist, ohne dass Musik eine Sprache wäre. Dies erkenntnismäßige bzw. kognitive Verstehen erfordert einerseits das Vorwissen des Hörers, der sich bereits mit kompositionstechnischen, historischen und sozialen Bedingungen des Werks beschäftigt haben muss, andererseits hängt es von der intentionalen Einstellung gegenüber dem musikalischen Werk ab. Daneben ist Hören ein sinnliches Erlebnis, das eine subjektive und emotionale Hinwendung zur Musik herstellt, und damit insgesamt ein aktiver Vorgang.

Medien, Technik und Wirtschaft

Medien halten die flüchtig verklingende Musik fest, machen sie für Mit- und Nachwelt verfügbar und lassen Musik erst entstehen. Sie sind als Noten eines Kunstwerks Gegenstand der historischen Forschung wie auch des Werturteils. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen Medien auf der einen, Aufführungs- und Kompositionsprozess sowie Musikanschauung auf der anderen Seite; gleiches gilt für die Technik, die zur Produktion und Reproduktion genutzt wird und im Gegenzug die Spieltechnik der Musikinstrumente beeinflusst. Produktion, Vermarktung und Vertrieb von Musikmedien sind seit den Anfängen des Druckwesens das Geschäftsziel einer ganzen Branche, die seit dem 20. Jahrhundert als Musikindustrie global operiert und ein nicht mehr zu überblickendes Angebot bereithält.

Reproduktionstechnik

Die Schallaufzeichnung begann 1877 mit Thomas Alva Edisons Phonographen. Dieser Apparat unterstützte bis in die 1930er-Jahre die Musikethnologie: allein Béla Bartók und Zoltán Kodály zeichneten damit tausende von Volksliedern bei der Feldforschung in Osteuropa und Nordafrika auf. 1887 entwickelte Emil Berliner die erste Schallplatte und das dazu gehörige Grammophon. Mit diesem Gerät, das bald in Serie gefertigt wurde und die Schellackplatte als Speichermedium popularisierte, hielt die Musik aller Gattungen auch in jene Haushalte Einzug, die keine Hausmusik betrieben und Arrangements oder Auszüge für das Klavierspiel verwendeten.[75] Die Erfindung und Vermarktung der Schallplatte beeinflusste bald die Musik selbst; 1928 schloss Igor Strawinski einen Vertrag mit dem Unternehmen Columbia Records, um seine Werke authentisch einzuspielen.[76]

Mehrere technische Schritte verbesserten die Schallplatte. 1948 setzte sich Polyvinylchlorid als Fertigungsmaterial durch, das Platten mit schmaleren Rillen erlaubte, ihre Spieldauer wesentlich verlängerte und die Tonqualität erheblich steigerte, da die Abspielgeschwindigkeit von 78 auf 33 bzw. 45 Umdrehungen pro Minute sank. Die lange zuvor entwickelte Stereofonie führte 1958 zur Stereo-Schallplatte und in den 1960er-Jahren zum zweikanaligen Rundfunk. Dies erforderte eine neue Generation von Wiedergabegeräten, Stereoanlagen wurden in großer Anzahl verkauft. High Fidelity wurde zum Standard der Klangtreue. Das Direktschnittverfahren, bei dem die Aufnahme nicht wie zuvor auf einem Tonband aufgezeichnet wurde, vergrößerte die Güte der Musikwiedergabe nochmals. Daneben waren Tonbänder auch im privaten Bereich beliebt, insbesondere in Form von Compact Cassetten zum Abspielen und Aufnehmen im Kassettenrekorder und zum mobilen Einsatz im Walkman.

Die Compact Disc hat sich seit ihrer Einführung 1982 zum weltweiten Standard auf dem Tonträgermarkt entwickelt.

Die Compact Disc als Speichermedium gelangte 1982 auf den Markt. Sie steht am Anfang der digitalen Medien, mit denen Musik in höchster Qualität bei verhältnismäßig geringem Platzbedarf gespeichert werden kann.[77] Ein weiterer Schritt zur Digitalisierung, der mit der allgemeinen Verbreitung von Computern einherging, war die Entwicklung von Audioformaten wie z. B. MP3, das eine plattform- und geräteunabhängige Nutzung erlaubt und im Internet in Form von herunterladbaren Musikdateien einen weiteren Verbreitungsweg nimmt.

Audiovisuelle Medien

Im Verbund mit audiovisuellen Medien wirkt Musik synergetisch. Ihre Verbindung mit Ausdrucksformen wie Schauspiel oder Tanz besteht seit ältester Zeit in rituellem Zusammenhang. Aus der Verknüpfung mit der Dramatik ging die Oper hervor. Die Verbindung mit dem Fernsehen schafft einerseits Öffentlichkeit für und Interesse an musikalischen Inhalten, andererseits entstehen durch sie neue Genres wie die Fernsehoper. Im Film übernimmt die Musik vielfältige Aufgaben, dramaturgische wie unterstützende, gegenüber der bildlichen Aussage. Sie intensiviert die Handlungswahrnehmung, setzt die Absichten des Filmregisseurs um und trägt beim Zuschauer zu einem sinnlichen Gesamteindruck bei. In technischer Hinsicht muss sie exakt mit der optischen Information des Films synchronisiert sein. Entsprechendes gilt für den Einsatz in der Werbung. Ein weiteres Genre stellt das Musikvideo dar. Anders als in der Filmmusik ist es hier Aufgabe des Regisseurs, ein bereits existierendes Musikstück dramaturgisch zu visualisieren. Im Mix mit anderen Medien dient ein Musikvideo in der Regel dem Verkauf der entsprechenden Musik, wenngleich auch hier audiovisuelle Kunst entstehen kann.[78]

Internet

Musik war bereits während der 1980er-Jahre in den Mailboxnetzen und im Usenet ein relevantes Thema. Audiodatenkompression und Streaming Media sowie höhere Datenübertragungsraten machten sie schließlich zu einem festen Bestandteil der Netzkultur. Dabei dient das Internet auf Grund seiner dezentralen Organisation nicht nur zur Information und Kommunikation, sondern schafft auch kontinuierlich neue Inhalte, die teilweise nach kurzer Zeit wieder verschwinden.

Zu den Streaming-Medien zählen Internetradiosender, die entweder das terrestrisch empfangbare Programm herkömmlicher Radiosender im Internet übertragen oder aber ein eigenes, nur über das Internet verfügbares Programm anbieten. Ebenso werden Musikprogramme durch Podcasting übertragen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist das Bereitstellen herunterladbarer Dateien zur Musikpromotion. Künstler, Labels und Vertriebe bieten teils kostenlose, teils kostenpflichtige Downloads an, die auch durch digitale Verwaltung in ihrer Art und Häufigkeit der Nutzung eingeschränkt sein können oder einem Kopierschutz unterliegen. Einzelne Künstler bieten Werke auch ausschließlich im Internet an, so dass ein Vertrieb der „materiellen“ Tonträger entfällt. Ebenso sind kostenlose Bonustracks erhältlich oder Material, das nicht auf Tonträgern erscheint.

Informationen und Kommunikation über musikbezogene Themen bieten private Homepages, Fanseiten, Blogs und Nachschlagewerke in lexikalischer Form. Webportale nehmen eine bedeutende Funktion für das Musikangebot ein. Während einige Portale ein Angebot an Hyperlinks auflisten, dienen andere der Vermarktung von Musik in Kooperation mit der Musikindustrie. Darüber hinaus existieren Plattformen, die Musikern gegen geringes Entgelt oder kostenfrei online Speicherplatz und ein Content-Management-System zur Verfügung stellen, um ihre selbst produzierte Musik hochzuladen und anzubieten. Sie dienen sowohl der Selbstvermarktung der Künstler als auch der Online-Zusammenarbeit und der Bildung sozialer Netzwerke durch Communitybildung.

Mit Filesharing-Programmen, die auf das Internet zugreifen, werden Musikdateien in einem Peer-to-Peer-Netzwerk zwischen den Internetnutzern getauscht. Wenn es sich dabei nicht um Privatkopien von urheberrechtlich geschütztem Material handelt, stellt dies eine strafwürdige Urheberrechtsverletzung dar, die seitens der Musikindustrie bzw. einzelner Künstler bereits zu Klagen gegen Tauschbörsen und deren Kunden geführt hat, da der Verkauf durch die kostenlosen Downloads über P2P-Programme eingeschränkt würde.[79]

Medien und Werkbegriff

Der Begriff des Werks spielt in der Kunstbetrachtung eine zentrale Rolle; die historische Musikwissenschaft sieht in ihm ein grundlegendes kulturelles Modell zur Beurteilung einzelner Erscheinungsweisen von Musik, die auch durch die ihnen zeitgenössischen Medien beeinflusst wird. Der Werkbegriff gründet sich vor allem auf die schriftliche Fixierung von Musik im Notentext, geschrieben oder gedruckt.[80] Seit dem Humanismus meint das „Werk“, in der Musik auch als Opus bezeichnet, die in sich abgeschlossene, die Zeit überdauernde individuelle Schöpfung seines Autors. Auch wenn es musikalische Werke, die dieser Definition entsprechen, bereits im Spätmittelalter gab, so haben sich der Begriff und seine Bedeutung für die Musikästhetik erst in der Frühen Neuzeit herausgebildet und verbreitet. Johannes Tinctoris benennt im Vorwort seines Liber de arte contrapuncti (1477) die Werke der großen Komponisten als Gegenstand.

„Quorum omnium omnia fere opera tantam suavitudinem redolent, ut, mea quidem sententia, non modo hominibus heroibusque verum etiam Diis immortalibus dignissima censenda sint.“

„Fast alle Werke aller dieser [Komponisten] duften so süß, dass sie, jedenfalls meiner Meinung nach, nicht nur von Menschen und Halbgöttern, sondern in der Tat auch von den unsterblichen Göttern für sehr würdig zu halten sind.“

Johannes Tinctoris: Liber de arte contrapuncti[81]

Auf die 1533 verfassten Rudimenta Musicae des Nikolaus Listenius geht die Vorstellung des „opus perfectum et absolutum“ („vollendetes und in sich geschlossenes Werk“) zurück, das die Lebenszeit seines Schöpfers überdauert (wenngleich es hier noch nicht auf Kompositionen beschränkt war). Der Werkbegriff, der die Originalität und den ästhetischen Gehalt der Musik betont, begann sich mit dem 19. Jahrhundert zu verfestigen. In der Moderne wandelte sich die Werkauffassung grundlegend. Durch offene Formen und variable Strukturen der Aleatorik, durch grafische Notationsformen und die Idee des Work in progress, die dem Werk nichts Abgeschlossenes mehr beimaß, sondern es nur als Stufe bei der Lösung kompositorischer Problemstellungen betrachtete, wird der konventionelle Werkbegriff in Frage gestellt.[82]

Der Unterschied ist begründet im Gegensatz von Energeia (griech. ἐνέργέια „wirkende Kraft“) und Ergon (griech. ἔργον „Werk“). Musik ist erfahrbar als Energeia in dem, was sie in den Menschen und an ihnen bewegt; sie ist gleichzeitig erfahrbar als Ergon, in dem Menschen der Musik außerhalb ihrer selbst begegnen. Dies erklärt, warum einerseits auch elementare und triviale musikalische Erscheinungen ergreifend wirken können, andererseits ein künstlerisch sehr komplex strukturiertes Werk dies nicht unbedingt vermag. Musik und Werk sind nicht dasselbe, der Werkbegriff impliziert bereits eine ästhetische Bewertung. Er ist im Wesentlichen eine Prägung der Kunstbetrachtung im 19. Jahrhundert, der nicht auf die gesamte Kunstmusik zutrifft. Seit der Musik der Zweiten Wiener Schule, in der seriellen Musik, im Jazz und der Musik in Happening und Fluxus tritt diese Differenz zutage. Der meiste Teil von Musik ist Gebrauchsmusik, wird nicht verschriftlicht und ist in soziale Zusammenhänge eingebunden. Sie besitzt nicht den Objektcharakter des Kunstwerks, sondern legitimiert sich durch ihre Wirkung.[83]

So war das Denken vergangener Jahrhunderte eher von der Vorstellung der klingenden Musik als Energeia bestimmt. Adams von Fulda De Musica (1490) nennt die flüchtig verklingende Musik die „wahre Philosophie des Todes“. Immanuel Kant billigt ihr in der Kritik der Urteilskraft (1790) nur einen transitorischen Charakter zu, sie erlösche gänzlich oder, wenn sie von der Einbildungskraft wiederholt werde, so sei sie eher lästig als angenehm.[84] Die aristotelische Philosophie betrachtete Kunst zwar mit dem Begriff des Werks, klingende Musik aber nur als praktischen Vollzug ihrer Ideengestalt. Ihr kommt kein höherer Rang zu als dem Schlafen oder Essen.[85]

Das Werk entsteht durch Schriftlichkeit und ist mit der Person ihres Schöpfers verbunden. Es ist einmalig, hat einen Anfang und ein Ende, ist in sich abgeschlossen und darum unveränderlich. Es behält seine Identität auch dann bei, wenn es in unterschiedlichen Interpretationen verschiedenartig dargestellt wird. Damit hat es, anders als die Improvisation oder die schriftlose Musik, in denen Komposition und Interpretation zusammenfallen, eine doppelte Existenz in diesen beiden Bestandteilen. Zugleich wird es dadurch nicht nur traditions-, sondern auch geschichtsfähig. Die Eigenschaft des Kunstwerks als Neues und Einmaliges erlaubt einen Vergleich zwischen Werken unter Aspekten wie Epochen, Generationen oder einzelnen Schöpfern. Dies ist gleichzeitig Voraussetzung und Antrieb zur Erneuerung und Anknüpfungspunkt für neue Werke. Durch die Vergleichbarkeit von Werken werden Werturteile, Analyse und Interpretation möglich und notwendig.[86]

Musikindustrie

Hauptartikel: Musikindustrie

Die Musikindustrie hat sich seit 1945 zu einem hochgradig integrierten, global organisierten Geschäftszweig unter der Führung einiger weniger Unternehmen aus den westlichen Industriestaaten entwickelt. Diese beherrschen den Unterhaltungselektronik- und Massenmediensektor. Die führenden Nationen des Tonträgermarktes – größtenteils der Verkauf von Compact Discs – sind die Vereinigten Staaten, Japan und Deutschland.[87] Neben den so genannten Major-Labels, die den Markt im Wesentlichen beherrschen und durch Konzentration bzw. Zentralisation ein Angebotsoligopol bilden, arbeitet eine große Anzahl von Independent-Labels basisnah auf Nischenmärkten. Dessen ungeachtet bestehen zwischen Majors und Independents auch wirtschaftliche Verbindungen im Bereich Künstler- und Repertoirebetreuung sowie in den Vertriebsstrukturen. Für Unternehmen, die zwischen beiden Kategorien stehen, hat sich der Begriff „Major Indies“ durchgesetzt.

Tonträger stellen das Hauptprodukt und damit die größte Einnahmequelle der Musikindustrie dar. Die Sendemedien Rundfunk und Fernsehen verbreiten die Produkte der Tonträgerhersteller in ihren Programmen. Dadurch ist einerseits die Musikindustrie abhängig von den Medien, die andererseits selbst auf das Angebot der Industrie angewiesen sind und durch dessen Nutzung Umsatz erwirtschaften: so weit Urheberrecht und verwandte Schutzrechte für Autoren und Künstler gelten, zahlen die Medien Gebühren für die Nutzung. Die Verwertungsgesellschaften überwachen diese Nutzung. Sie legen die Höhe der Vergütungen fest, die an die Autoren und Interpreten zurückfließt. Von erheblicher Bedeutung für die Popularmusik sind hier Musiksender, die als Vermarktungsinstrument für Musikvideos zum Zweck der Absatzförderung fungieren.[88] In Einzelfällen können die Gewinne aus der Nutzung von Lizenzrechten den Tonträgerverkauf übersteigen. Diese entstehen aus dem Handel mit Fanartikeln wie T-Shirts, Postern, Postkarten oder Aufklebern.[89]

Ebenso wichtig sind Printmedien. Bis zur Massenproduktion der Schallplatte ruhte das Kerngeschäft auf den Musikverlagen, die vor allem Noten herstellten und Musikalien vertrieben, heute aber vor allem die Urheberrechtsansprüche gegenüber den Medien wahrnehmen. Ferner liegt ihre Arbeit im Handel mit den Schutzrechten am geistigen Eigentum, die bei der Vervielfältigung, Vermarktung und Verwertung von Tonträgern zu beachten sind. Der Stellenwert von Lizenzhandel und Merchandising gewann vor allem in den 1980er-Jahren an Bedeutung, als Hunderttausende von Einzelwerken der Popmusik im Rahmen von Kauf und Weiterverkauf kompletter Unternehmenskataloge mehrere hundert Millionen USD Erlös erzielten. Lizenznehmer sind neben den Medien die Werbebranche und die Konsumgüterindustrie. Die großen Konzerne der Tonträgerindustrie unterhalten dazu eigene Unternehmen. Neben den Tonträgerherstellern umfasst die Musikindustrie Musikproduktionsunternehmen und Tonstudios, Tourneeveranstalter und Künstleragenturen, Groß- und Einzelhandelsunternehmen sowie Musikzeitschriften.[90]

Musikproduktion

Musikproduktion ist im Zeitalter der Massenmedien grundsätzlich weiterhin als arbeitsteiliger Prozess möglich. Während früher die Trennung von Komponisten und ausführenden Musikern überwog, ist durch elektronische Produktionsmittel und den Einsatz von Computern auch eine vollständige Produktion durch eine einzige Person erreichbar. Die Arbeitsteilung hat ihre Grundlage in der Übermittlung von Musik in Form von Noten, MIDI-Daten o. ä., so dass Komponisten und Interpreten spezialisiert handeln können.[91] Während bei der Produktion von „klassischer Musik“ vorwiegend werkgetreue und künstlerisch möglichst hochwertige Aufnahmen im Vordergrund stehen, werden die produktionstechnischen Mittel in den Genres der Unterhaltungsmusik erheblich konsequenter und zielorientierter eingesetzt. Auch der Einsatz der Mittel als Effekte um ihrer selbst willen ist zu beobachten. Gewünscht ist ein möglichst einzigartiges Hörereignis.[92] Spielte im Bereich der Unterhaltungs- und besonders der Filmmusik die Tätigkeit des Arrangeurs für den Klang früher noch eine wichtige Rolle, so steht mit der zunehmenden Digitalisierung und dem Einsatz von Sampling-Technik eher das Sounddesign im Vordergrund.[93]

Enge Verbindungen zu Komposition und Produktion hat der Musikinstrumentenbau. So ist beispielsweise die Geschichte der Klaviermusik nur im Zusammenhang mit der technischen Entwicklung des Instruments im 19. Jahrhundert zu verstehen; Musik wurde und wird instrumentenspezifisch komponiert, wobei technische Verbesserungen des Klaviers – Hammer- und Pedalmechanik, Klangvolumen – von den Komponisten ausgenutzt wurden. Ebenso schlugen sich die Klangverbesserungen der Streichinstrumente, die Intonationssicherheit und Erweiterung des Tonumfangs von Holz- und Blechblasinstrumenten in der Kompositionspraxis nieder, die höhere Anforderungen an die Instrumentalisten stellte.[94]

Die Verbindung von erklingender Musik und Technik erfolgt in der Arbeit des Tonmeisters bzw. Toningenieurs oder Tontechnikers. Dem Musikproduzenten schließlich obliegt die kaufmännische, organisatorische und künstlerische Gesamtleitung.[95]

Das musikalische Produkt

Die Musikindustrie operiert im Zusammenhang kultureller Prozesse. Auch wenn sie tendenziell monopolistische Strukturen aufweist, sind ihre Verfahrensweisen nicht ausschließlich betriebswirtschaftlich ausgerichtet, da sie den schöpferischen Prozess des Musizierens berücksichtigen muss, um ein Produkt hervorzubringen. Ihrer Wirtschaftsmacht entspricht nicht zugleich einer kulturellen Mächtigkeit, die die ästhetischen Wertmaßstäbe der konsumierenden Gesellschaft zu beherrschen in der Lage wäre. So hat sich seit Mitte der 1950er-Jahre das Verhältnis des wirtschaftlichen Erfolgs innerhalb der angebotenen Produkte in überbetrieblicher Hinsicht trotz zunehmender Konzertverflechtung nicht verändert. Ungefähr 10 % der jährlich veröffentlichten Produktionen sind wirtschaftlich erfolgreich, wobei 3 % Gewinn erzielen und 7 % lediglich die Kosten decken; die übrigen 90 % der Veröffentlichungen verursachen Verluste. Dem im kulturwissenschaftlichen Diskurs verbreiteten Urteil, die Musikindustrie betreibe eine Kommerzialisierung, steht die Meinung entgegen, ihr Hauptinteresse liege weniger in der Gestalt des Werks als in der wirtschaftlichen Verwertung seiner Rechte.

Dem musikalischen Produkt ist im Gegensatz zur Praxis der traditionellen Musikkultur zu eigen, dass es nur auf dem Trägermedium einer zu seiner Verwertung einmalig erbrachten Werkleistung beruht. Dies Werk wird im Regelfall einmalig komponiert, einmalig interpretiert, auf dem Tonträger festgehalten und verbreitet. Es wird aus dem vorhandenen Repertoire ausgewählt bzw. in der Unterhaltungsmusik häufig eigens verfasst, aufgenommen, produziert, vermarktet und im Einzelhandel vertrieben.[96] Danach erst setzt der soziale Rezeptionsprozess ein. Weder Produktion noch Rezeption von Tonträgern lässt sich also strukturell mit den traditionellen kulturellen Prozessen vergleichen. Anders aber als im öffentlichen Musikleben, das dem Publikum bestehende Musikwerke anbietet, indem die Institutionen danach in einem geeigneten Repertoire suchen, geht die Musikindustrie den entgegengesetzten Weg. Sie versucht dem auf einem Tonträger präsenten Musikstück so kontrolliert wie möglich eine Rezeption aufzubauen. Das entscheidende Moment liegt in der Nachfrage des Produkts, die die Entscheidungen der Verkaufspolitik bestimmt. Diese sind in den verschiedenen Sektoren (Pop, Klassik, Jazz usw.) jeweils unterschiedlich gestaltet.[97]

Musik und Gesellschaft

Musik findet in der Gesellschaft statt. Sie steht zu ihr in stetiger und gegenseitiger Abhängigkeit und Einflussnahme: sie wird in ihrer Produktion, bei der Komposition und Aufführung von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst, beeinflusst bei der Rezeption wieder die Menschen und damit die Gesellschaft. Musik ist abhängig von den sozialen Rollen der Menschen, die sie erfinden, singen und spielen, hören, verbreiten, sammeln, kaufen, bevorzugen oder ablehnen; sie ist gleichfalls abhängig von den Institutionen, die durch Musik andererseits erst entstehen. Über ethische, ästhetische oder auch andere Werturteile bildet sie Normen in Bezug auf das Verhalten ihr gegenüber. Sie ist in der Lage, soziale Gruppen zu konstituieren und zu verändern.

Sozialgeschichte

Seit dem Hochmittelalter hat sich das musikalische Leben in sozialer wie in technischer Hinsicht vielfach gewandelt. Die Eckpunkte dieser Entwicklung sind der Übergang vom Feudalismus zur Ständegesellschaft, der Aufstieg des Bürgertums, schließlich das Entstehen der Massengesellschaft. In diesem Wechsel änderte sich nicht nur die Musik, sondern auch das, was als Musik angesehen wurde, und letztlich auch ihr Wesen und ihre Funktion. Die Einführung von Medien stellt den Stand der technischen Grundausstattung der Gesellschaft dar, die Musik herstellt, verbreitet und wahrnimmt. Dies sind im Wesentlichen fünf Schritte: Schrift, Buchdruck, Schallaufzeichnung, elektronische und digitale Medien. Sie sind jeweils die Kommunikationskanäle, unabhängig von den Inhalten und ihren sozialen Bedingungen. Erst gemeinsam mit den Codes entfalten sie produktive Kräfte.

Zwischen Codes und Medien besteht ein dialektisches Verhältnis. Bedienen sich die Codes bestimmter Materialien wie Papier oder elektrischer Energie, so formen sie diese in mitteilbare Information um. Zugleich müssen sich die Codes aber dem Medium anpassen. Damit sind Codes ebenso entscheidend wie die Trägermedien dafür verantwortlich, wie sich Kunst entwickelt. Diese Entwicklung ist das Ergebnis gesellschaftlicher Entscheidungen – wirtschaftlicher, politischer, rechtlicher, ideologischer und ästhetischer – für den Einsatz von Medien und Codes.[98]

Der Weg zur bürgerlichen Musikkultur

Die Grundlagen für die europäische Musikkultur bestanden bereits seit dem Spätmittelalter. Der Wandlungsprozess setzte ein bis zur technischen Entwicklung des Notendrucks und nutzte die sich entfaltenden Notationsmöglichkeiten bis zur Mensuralnotation. Diese Mittel verbesserten Produktion und Verbreitung von Musik bedeutend und erlaubten eine praktische Kontrolle; die aufkommende kontrapunktische Verregelung der Musik, die Qualifizierung von Zusammenklängen in einem System aus Konsonanzen und Dissonanzen und die Stimmführung in der sich entwickelnden Polyphonie ließen sich durch eine einheitliche grafische Ordnung leichter bestimmen und prüfen. Die allgemeinen Folgen der Differenzierung waren die Rollenverteilung in die Bereiche Komposition, Interpretation und Distribution.

Der Komponist als autonomer Schöpfer des musikalischen Kunstwerks trat als Individuum aus der mittelalterlichen Anonymisierung heraus, während die immer komplexeren musikalischen Gebilde einer technisch angemessenen Interpretation durch den Musiker bedurften. Die Nachfrage nach Musik bestand bei Kirche und Fürstenhöfen und förderte die Entstehung neuer Werke. Das Bürgertum als politisch und wirtschaftlich bestimmende Schicht schloss sich dem an. Waren im Mittelalter, z. B. bei Minnesängern und Trobadors, Komponisten immer auch Interpreten ihrer eigenen Werke und traten in einer bestimmten Funktion auf, so entstand ab der Neuzeit ein arbeitsteiliger Markt mit differenzierten Berufsbildern: Komponist, Sänger, Instrumentalist, Verleger und Händler.

Zunächst blieben Komponisten und Interpreten an die Patronage von Kirche und Höfen gebunden, die Musik forderte, aber auch Musik förderte und in ein Mäzenatentum mündete. Der Komponist stieg vom Dienstleister zum Prestigeträger des Fürsten auf, der ihm nicht selten durch privaten Musikunterricht verbunden war. Die Kirche bot zahlreichen Musikern Anstellung und akzeptierte ihre zunftmäßige Organisation in den Städten. In der bürgerlichen Gesellschaft und im beginnenden Kapitalismus endlich wird der Komponist ein Subjekt auf dem freien Markt. Er bietet seine Werke, die er ohne einen Auftraggeber schafft, einem anonymen Publikum aus Musikinteressierten an. Als vermittelnde Instanzen treten Verlage und Handel dazwischen, die die Grundlage eines neuen Industriezweigs bilden. Auf der Gegenseite förderte diese Herausbildung abstrakter Marktverhältnisse auch das „Künstlertum“, d. h. die soziale Rolle des Komponisten als einer nicht mehr in die Gesellschaft integrierten Person, die mehr und mehr Außenseiter wird.

Die parallele Entwicklung im Bereich der Unterhaltungsmusik setzte dagegen erst im späten 18. Jahrhundert ein. Bis dahin waren Volks- und Unterhaltungsmusiker sozial schlecht gestellte städtische Spielleute oder Spezialisten innerhalb der Dorfgesellschaft. Es gab hier nach wie vor keine Arbeitsteiligkeit, nur mündliche Überlieferung der Musik und eine wenig differenzierte Funktion des Musikmachens: Volksmusiker waren in den Alltag und die Abläufe des Kirchenjahrs eingebunden, übernahmen aber auch die Rolle des Informationsübermittlers, etwa durch den Moritaten- und Bänkelsang. Mit der Industrialisierung kam auch in der Unterhaltungsmusik die Nachfrage nach „professioneller“ Musik.

Die spezifisch bürgerliche Salonmusik entstand ebenfalls im 19. Jahrhundert. Sie bestand größtenteils aus leichten Arrangements von Kunstmusik für die wohlhabenden Haushalte. Vor allem für das Klavier und kleine Hausmusikensembles wurden leicht spielbare und effektvolle Stücke hergestellt. Sie dienten als Spielmaterial für den Musikunterricht. Carl Czernys Schule der Geläufigkeit und andere Übungsmusik bildeten die Ausrüstung für den bürgerlichen Musiklehrer, der als neuer Beruf erschien.

Besonders im Deutschen Reich traten Gesangvereine, als Neuerung auch Männerchöre hervor. Ein gedrucktes und überregional verbreitetes Repertoire an Chorwerken stiftete soziale Identität, die Sängerfeste des Deutschen Sängerbundes wurden zum Ausdruck der nationalkulturellen Identitätsbildung. Einfachere Reisemöglichkeiten, Eisenbahn und Dampfschifffahrt, begünstigten zudem diese Massenveranstaltungen. Das Virtuosentum im Konzertsaal belebte den Musikmarkt und schuf die ersten international bekannten Stars wie Franz Liszt und Niccolò Paganini. Das Urheberrecht, das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das expandierende Verlagswesen und Konzertleben der europäischen Länder regelte, stärkte die Komponisten. Ihre Einkommensverhältnisse besserten sich nachhaltig und sie bekamen erstmals die Kontrolle über ihre Werke und die Abgeltung aus deren Nutzung. Damit wurde der Komponistenberuf auch juristisch anerkannt und der Schwerpunkt der schöpferischen Produktion lag nun endgültig in der Hand der Künstler selbst.[99]

Öffentliche Musikkulturen

Die Erfindung des Notendrucks half zwar, Musik schneller und weiter zu verbreiten, doch waren die Auflagen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts immer noch recht gering. Der Notendruck war eher ein Mittel zur Dokumentation und zur medialen Vermittlung des Musiktextes an den Interpreten. Eine breite Käuferschicht fanden Noten noch nicht. Allerdings unterstützen frei verfügbare Noten die entstehende öffentliche Musikkultur, namentlich im italienischen Opernwesen um die Mitte des 17. Jahrhunderts und im englischen Konzertwesen seit dem frühen 18. Jahrhundert. Das bürgerliche Musikleben begann sich unter deren Einflüssen sozial und wirtschaftlich zu entfalten. Zunächst hielten Gasthäuser und öffentliche Säle als Aufführungsorte her, später wurden die ersten Konzerthäuser als spezialisierte Spielstätten für die Konzertmusik errichtet – unter Mitwirkung der städtischen Verwaltungshoheit.

Die Erfindung der Lithografie im Jahr 1796 führte unmittelbar zu qualitativ besseren Druckergebnissen und größeren Auflagen im Notendruck. Noten erwiesen sich als profitabel und ein breiter Markt wuchs heran. Damit rückte auch der Warencharakter von Musik in den Vordergrund. In der Mitte des 19. Jahrhunderts überstiegen die Aufführungen von Musik bereits verstorbener Komponisten erstmals diejenigen von noch lebenden. Dies ist auch ein Anzeichen für die Herausbildung eines spezifisch bürgerlichen Kanons und der ihm zugrunde liegenden wertenden Ästhetik.

Im häuslichen Bereich kam dem Klavier eine besondere Rolle zu. Die wichtigsten Merkmale der europäischen Kunstmusik – Mehrstimmigkeit, Kontrapunkt, Modulationsharmonik, wohltemperierte Stimmung des chromatischen Tonsystem – lassen sich auf diesem Instrument klanglich angenehm, technisch einfach und verhältnismäßig preiswert erlernen und reproduzieren. Beide, Klavier und Notendruck, wurden in der bürgerlichen Schicht zu Trägern der Musikkultur. Symptomatisch ist das 1856 von Tekla Bądarzewska komponierte Gebet einer Jungfrau. Es gehört zu einer industriell gefertigten, standardisierten Musik, die später als Inbegriff für musikalischen Kitsch galt.

Noch offensichtlicher war die Marktentfaltung in der Popularmusik. Schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahmen in den Großstädten die großen Unterhaltungsstätten für die Mittel- und Unterschicht ihren Betrieb auf: Music Halls in England, Cafés in Frankreich, in Deutschland Revue-Theater und Ballsäle, in den USA die Minstrel Shows und aus Frankreich übernommenen Vaudevilles. Die dort gespielte Musik diente zum Tanzen und Mitsingen, nicht aber dem Kunstgenuss.

Die bürgerliche Musikkultur hatte im Großen die Inhalte ihrer kirchlichen und aristokratischen Vorläufer übernommen. Sie unterschied sich aber in ihrem ideologischen Bezug. Während für die Fürsten Musik eine angenehme Zerstreuung war und die Kirche sie religiös funktionalisierte, so suchte das Bürgertum in ihr Bildung und Erbauung und nutzte sie zur Repräsentation. Als Mäzen trat nun der Bürger auf, vermehrt auch die öffentliche Hand. Staaten, Kommunen und Privatvereine finanzierten Bau und Unterhaltung von Opern- und Konzerthäusern. Ihr Ziel war ein öffentliches Musikleben, das dem Bürgertum selbst zu Bildung und Erziehung gereichen könne.

Hier begann die Kulturpolitik. Was als kulturell wertvoll im Dienst der Allgemeinheit erachtet wurde, erhielt auch abseits von wirtschaftlichen Überlegungen Förderung. Die Werturteile fällte eine zunehmend abgeschlossene Teilkultur – Universitäten, Intellektuelle, Künstler und Kritiker – mit der Tendenz zur Selbstreferenzialität, so dass die gesellschaftliche Desintegration der Kunst weiter voran getrieben wurde. Die Formen der bürgerlich-wertorientierten Kultur übernahmen schließlich auch die aristokratischen Herrscher. Als Gegengewicht zur bürgerlichen Sphäre wuchs die Unterhaltungsindustrie an, die Boulevardtheater unterhielt und als neues Berufsbild den professionellen Entertainer schuf.[100]

Rezeptionsformen

Diese Entwicklungen hatten Folgen für die Kunstrezeption. War bis zum Beginn der Neuzeit Musik entweder funktional, z. B. mit Arbeit oder Gottesdienst verbunden, oder hatte sie als Tanz- und Volksmusik Gemeinschaft gestiftet, war also der Umgang mit und der Gebrauch von Musik die herkömmliche Herangehensweise, so wandelte sich dies zur Darbietung von Musik. Sie wurde als Kunstwerk und um ihrer selbst willen aufgenommen. Sie musste sich nicht mehr das Interesse mit anderen alltäglichen Dingen wie Arbeit oder Schlaf teilen, sondern wurde mit großer Aufmerksamkeit gehört. Diese strukturelle Hörweise, die das musikalische Kunstwerk in seiner Form und seinem Gehalt nachzuvollziehen sucht, setzt bereits theoretisches Vorwissen voraus. Damit einher ging die Unterscheidung von Kunst-Musik und „Nicht“-Kunst-Musik, d. h. die Übertragung der Werturteile auf musikalische Genres. Die Unterscheidungsfähigkeit wurde zu einem wichtigen sozialen Merkmal stilisiert; wer den bürgerlichen Kanon nicht nachvollzog, galt als ungebildet. Anders die Unterhaltungsmusik: weder empfand man sie als Kunst noch wurde sie konzentriert gehört. Man hörte sie auch, während man mit Gespräch, Essen, Tanz beschäftigt war, als Konsum einer Dienstleistung.[101]

Die Kulturindustrie

Am Ende des 19. Jahrhunderts setzte eine Wandlung der westlichen Gesellschaft ein, die die Erfindung der Schallaufzeichnung begleitete. Es entstanden Massenmedien, wie Grammophon und Schellackplatte, Rundfunk und Tonfilm. Mit der Erfindung des Kondensatormikrofons setzten die elektronischen Medien ein. Musik wurde nun bis zum Zweiten Weltkrieg vorwiegend medial vermittelt, durch Radio und Musikfilm.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich mit dem wachsenden Wohlstand breiterer Gesellschaftsschichten die Konsumgesellschaft zu bilden. Die Nachfrage nach elektrischem Zubehör wie Tonbandgerät oder Transistorradio stieg, das Fernsehen begann sich auszubreiten. Mit der elektrischen Industrialisierung entwickelte sich erstmals eine industrielle Produktion von Musik im eigentlichen Sinne. Sämtliche Prozesse waren nun arbeitsteilig angelegt, wie es im Bereich der Unterhaltung schon zuvor gewesen war.

Das bürgerliche Musikverständnis in Bezug auf Kunst hatte sich seit dem 19. Jahrhundert nicht wesentlich gewandelt. Die Musikindustrie überformte es. Sie übernahm überwiegend die Ökonomisierung des vergangenen Jahrhunderts, die Musikschaffenden wurden zu Arbeitnehmern einer sich konzentrierenden Industrie, die von Tonträgerherstellern und Rundfunkanstalten dominiert wurde. Diese beiden entschieden nun, welche Musik gehört und rezipiert wurde.

Nach und nach kehrte sich die Erwartungshaltung des Publikums um. Die breitere Medienverfügbarkeit des Angebots, das auch in Einzelsektoren des „klassischen“ Tonträgermarktes nicht mehr zu überschauen war, führte zu einer unkonzentrierten und beschleunigten Rezeption. Dies wirkte sich aus auf die Unterhaltungsmusik, auf Jazz, Pop, Rock mit ihren zahlreichen eigenständigen Strömungen wie Punk, Metal, Techno, Hip-Hop, Country, Blues usw., die in der Spannung zwischen weiterer Standardisierung auf der einen Seite, wachsendem Innovationsdruck auf der anderen Seite entstanden.[102]

Musikalische Sozialisation

Die musikalische Vorliebe für einzelne musikalische Richtungen hängt von vielen Faktoren ab wie Alter, Geschlecht und Sozialisation.[103] Die musikalische Sozialisation meint die Ausbildung von Werten, Normen und Regeln in Bezug auf Musik und die Ausbildung musikalischer Kompetenz.

Musikalische Sozialisation ist wahlfreies Handeln. Zwar können bestimmte gesellschaftliche Institutionen wie Familie oder Kirche sie fördern, es wird jedoch nur in wenigen Fällen negativ sanktioniert (z. B. bei Konsum und Verbreitung rassistischer oder politisch radikaler Musik). Musikpädagogik kann die Sozialisation beeinflussen, wenn der Träger ein Interesse daran zeigt und dazu in der Lage ist. In Ländern, in denen die Schulmusik eine schwache Stellung hat oder nicht existiert, ist dies schwieriger möglich oder sogar unmöglich. Eine normative Sozialisation wird durch die öffentliche Förderung von klassischer Musik und Oper – dem bürgerlichen Bildungskanon – gestützt. Wo diese an Regel-, Musik- und Hochschulen eine Vorrangstellung im Lehrplan besitzt, lenkt sie das Interesse der Sozialisanden auf sich.[104]

Sozialisation in Schule und Gruppe

Schule vermittelt zentrale Werte und Prinzipien, zu denen die ästhetische Bildung gehört. Während das gemeinsame Singen, das die Jugendmusikbewegung in den 1920er-Jahren in die niederen Schultypen hineintrug, noch bis in die 1950er-Jahre der hauptsächliche Berührungspunkt mit Musik gewesen war, wuchs den Schulen allgemein mit der Ausbreitung der elektronischen Medien eine starke Konkurrenz um den Zugang zur Musik. In der Regel haben Kinder bereits im Vorschulalter hinreichende Erfahrung mit Musik gesammelt, und die Schule ist nicht mehr die erste Enkulturationsinstanz.

Eine wichtige soziale Funktion von Schule besteht indessen darin, gleichaltrige Jugendliche zusammenzubringen, so dass sich Gruppen bilden. Die Mehrzahl der Jugendlichen ist in Gruppen eingebunden. Da Musikhören wenigstens als Nebenbeschäftigung zu den häufigsten Freizeitinhalten bei Jugendlichen gehört, spielt die Orientierung nach dem wahrgenommenen Musikgeschmack anderer eine Rolle beim Anbahnen sozialer Kontakte. Jugendliche nehmen Musikgeschmack als Persönlichkeitsmerkmal wahr.

Innerhalb der Gruppen wird Musik häufig thematisiert. Es finden gegenseitige Anpassungen des Musikgeschmacks statt, um kognitive Dissonanzen in Bezug auf die Gruppe zu vermeiden. So entsteht im Gegenzug kollektiv geteiltes Wissen, das den Zusammenhalt der Gruppe stärkt. Analog dazu werden Abneigungen gegenüber anderen Musikstilen, d. h. gegenüber dem Musikgeschmack distanzierter Gruppen, ähnlich homogen betrachtet.[105]

Sozialisation durch Medien

Die audiovisuellen Medien sind in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum einflussreichen Enkulturationsfaktor geworden. Dieser Wandel betrifft nicht nur die Art der Musik, die gehört wird, er betrifft vor allem die Umstände der Mediennutzung. Einerseits wird Musik weiterhin nebenbei gehört, z. B. bei den Hausaufgaben, andererseits erlauben mobile Abspielgeräte (Kofferradio, Walkman, MP3-Player) Musikkonsum an jedem beliebigen Ort. Es zeigt sich außerdem, dass vor allem Jugendliche Musik nicht in der Gruppe oder als Publikum, sondern häufig alleine hören. Dies spricht auch für einen Umgang mit Musik im Sinne einer Selbstsozialisation.

Der Einflussgrad der Medien besteht in der immer leichteren Verfügbarkeit von Musik. Da Musikhören lustbetont ist, ist Mediennutzung effizient und rational. Ein Sozialisationseffekt besteht darin, dass der einzelne Mediennutzer das Angebot nicht bestimmen oder überblicken kann und fremdbestimmte Wissensstrukturen über Musik aufbaut. Ein weiterer Grund liegt in subliminalen Reizen, die der Nutzer nicht oder nicht vollkommen kontrollieren kann. Dies sind vorwiegend neurophysiologisch bedeutsame Effekte wie Bahnung oder Lernen am Modell, die eine Konditionierung des Hörers erzeugen. Da sie auf der tiefsten Stufe der neuronalen Informationsverarbeitung ansetzen, die sich dem Bewusstsein entzieht, sind sie entsprechend wirksam und lassen sich nicht durch Aufklärung verhindern.[106]

Musikalische Lebenswelten

Musikalische Lebenswelten bedeuten das, was Menschen als selbstverständliche Umgebung und Umwelt in Bezug auf Musik erleben. Sie stellen die Weltsicht des Individuums dar. Sie werden durch das musikalische Alltagserleben geprägt und prägen wiederum die alltägliche Umwelt des Menschen.

Musik im Alltag

Die historischen und sozialen Wurzeln der Musik im Alltag sind vielfältig. Dies gilt für Gesellschaften aller Ethnien und Epochen und innerhalb dieser für zahlreiche Einzelstrukturen, da Musik einerseits eine universelle Erscheinung ist, andererseits nach innen Gesellschaften differenziert. Musik erfüllt ein Grundbedürfnis nach Fürsorge und emotionaler Hinwendung. Sie gewährt Identifikation mit der sozialen Gruppe und mit sich selbst, sie befriedigt das Bedürfnis nach Heimat und kultureller Zugehörigkeit. Darum ist sie ein Bestandteil der Lebensqualität im Alltag, in dem sie ihre Bedeutung aus ihrem Gebrauch entfaltet.

Die kulturellen Grundlagen der Musikverwurzelung im europäischen Kulturkreis haben sich unterschiedlich stark gehalten. Die Wurzeln der mittelalterlichen christlichen Musikkultur sind hinter dem neuzeitlichen Musikverständnis der Stände- und Fürstengesellschaft zurückgetreten, dieses hinter der bürgerlichen Musikkultur des 19. Jahrhunderts. Selbst das Kulturverständnis dieser Epoche ist nicht unverändert geblieben, es ist in anderen und neuen Formen aufgegangen, z. B. in der Event-Kultur des 20. und 21. Jahrhunderts oder in der Neuen Musik, die nur ein kleiner Ausschnitt des Publikums wahrnimmt. Dem gegenüber steht die Popkultur, die die Mehrheit des Publikums rezipiert.

Die Vielfalt des musikalischen Angebots spiegelt diese Situation wider, da sie analog zu den unterschiedlichen Lebensentwürfen und den kulturellen Bedürfnissen ein Spektrum aller Musikarten umfasst. Sie alle aber können bei Menschen unterschiedlicher sozialer oder kultureller Herkunft oder aus verschiedenen Generationen dieselben Grundbedürfnisse befriedigen.

Für weite Teile bleibt das Kulturmodell des Bürgertums indes noch immer vorbildhaft, da es neben der Identität stiftenden Funktion eine distinktive besitzt, mit der sich der Bürger von anderen Gesellschaftsschichten abgrenzen kann. Andererseits war für das Proletariat des 19. und ist für die Mittel- und Unterschicht des 20./21. Jahrhunderts die Teilhabe an diesem Kulturmodell nicht mehr unbedingt erstrebenswert. Daran haben auch die Massenmedien nichts geändert. Die Teilhabe an unterschiedlichen Musikkulturen ist unterdessen nicht mehr an bürgerliche Orte und Situationen wie einen Konzert- oder Opernbesuch gebunden, sondern lässt sich medial in jeder Lebenssituation verwirklichen.[107]

Subkulturen

Musikalische Lebenswelten führen zur Bildung von Subkulturen. Sie ermöglichen es Menschen, ihre kognitiven und emotionalen Entwürfe erfüllend auszuleben. Dies betrifft einerseits Jugendkulturen wie Punk, Hip-Hop oder Gothic, andererseits zählen dazu auch Kenner und Liebhaber von Alter Musik, Oper u. a. musikalischen Teilbereichen. Subkulturen stellen kommunikative Netze dar. Ihre Mitglieder verständigen sich, indem sie sich nicht nur primär über einen gemeinsamen Musikgeschmack definieren, sondern darüber hinaus über den Kleidungs- und Lebensstil, Gruppensprachen und gemeinsame musikbegleitete Handlungen wie Musikfestivals. Damit erzeugen und formen sie alltagskulturelle Schemata. Indem sie Medien darin einbeziehen, konstruierten sie erneut Bestandteile von Lebenswelten. Musik übernimmt in diesem Regelkreis eine Funktion zur Individualisierung des Einzelnen und fordert ihn zur eigenen sozialen Integration auf. Sie ist mittelbar beteiligt an Neukonstruktionen von Vergemeinschaftung und schafft neue Formen der Identitätsbildung. Auch dies ist ein Anzeichen musikalischer Selbstsozialisation, zumal Jugendliche als hoch relevantes Mittel zur Identitätsfindung das aktive Musizieren nutzen, etwa durch autodidaktisches Erlernen von Musikinstrumenten oder Gründen einer Band.[108]

 

Filmschauspieler


Ein Filmschauspieler ist ein Schauspieler, der – im Gegensatz zum Bühnenschauspieler – ausschließlich oder hauptsächlich in Filmen eingesetzt wird.

Arbeitsweise

Zwischen dem Filmschauspiel und der Arbeitsweise der Bühnendarsteller bestehen grundlegende Unterschiede. Während ein Bühnendarsteller seine Rolle stets im Gesamtzusammenhang präsentiert, zerfällt die Arbeit eines Filmschauspieler in einzelne Takes, die erst später – im Filmschnitt – zusammengefügt werden. Aus produktionstechnischen Gründen werden die einzelnen Szenen häufig in einer ganz anderen Reihenfolge gedreht, als sie später im Film gezeigt werden. Dies erfordert hohe Aufmerksamkeit nicht nur der Continuity, sondern auch der Darsteller, die genau wissen müssen, was sich in vorangegangenen Szenen – die eventuell noch gar nicht gedreht worden sind – ereignet.

Im Gegensatz zu Bühnendarstellern, die das Publikum stets nur aus vergleichsweise großer räumlicher Entfernung sieht, müssen Filmschauspieler darauf eingestellt sein, dass ihr Spiel von der Kamera in Nah- oder Großaufnahme eingefangen wird. Für die Darstellung von Emotionen stehen Filmschauspielern damit ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung als Bühnenschauspielern. Erfahrene Filmschauspieler sind auch in technischen Fragen versiert, mit denen Bühnenschauspieler sich normalerweise nicht beschäftigen, wie z. B. der Beleuchtung, der Tontechnik und den Möglichkeiten der Kamera.

Während Bühnendarsteller meist für eine Spielzeit (Herbst bis Frühsommer) engagiert werden, unterzeichnen Filmdarsteller heute Verträge, die sie normalerweise nur für jeweils einen einzigen Film verpflichten. Bühnendarsteller müssen über monate-, manchmal über jahrelange Zeiträume hinweg stets ihren gesamten Text auswendig wissen; Filmdarsteller bereiten sich meist nur auf den Text vor, der während der Aufnahmen des jeweils folgenden Drehtages benötigt wird.

Arbeitsbereiche

Je nach dem Arbeitsbereich, in dem Filmschauspieler eingesetzt werden, unterscheidet man zwischen Dramadarstellern, Komödiendarstellern, Voice-over-Sprechern, Statisten und Stand-Ins. Spezialisten wie Sänger, Tänzer und Stuntmen werden nicht zu den Schauspielern im engeren Sinne gezählt.

Ausbildung

Filmschauspieler werden oftmals gemeinsam mit Bühnenschauspielern ausgebildet. Daneben gibt es jedoch Schauspiel- und Filmhochschulen, die den schauspielerischen Nachwuchs speziell für die Anforderungen des Filmmediums ausbilden. Kurse und Workshops für Camera Acting, meist außerhalb, mit einzelnen Angeboten auch innerhalb der Schauspielschulen, werden zur Vertiefung der in diesem Berufsfeld geforderten Fähigkeiten angeboten.

Organisationen

In Deutschland nimmt seit 2006 der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) die beruflichen und politischen Interessen der Film- und Fernsehschauspieler wahr.

In den Vereinigten Staaten besteht bereits seit 1933 die Filmschauspielergewerkschaft Screen Actors Guild. Die Entscheidung, in die SAG einzutreten, ist für die meisten Schauspieler schwierig, weil mit der Mitgliedschaft zwar – zumindest theoretisch – gewisse Sozialleistungen (benefits) verbunden sind, die Mitglieder andererseits jedoch nur noch in union roles (Gewerkschafts-Rollen) eingesetzt werden dürfen; das ist ein prozentualer Anteil aller Rollen, die in einem Filmprojekt zu besetzen sind. Die Mehrzahl der verfügbaren Rollen sind non-union roles.

Berufssituation in den Vereinigten Staaten

Geschichte

Von ihrer Frühgeschichte an hatte die Filmproduktion in den Vereinigten Staaten einen stärker industriellen Charakter als in den meisten anderen Ländern. Für die Arbeit der Filmdarsteller hatte dies wichtige Konsequenzen, die das Profil des Berufes in diesem Land bis auf den heutigen Tag geprägt hat. So entstand hier schon in der Stummfilmzeit eine Schere zwischen Heerscharen schlecht bezahlter Kleindarsteller und einer kleinen Anzahl sehr hoch bezahlter Stars, die dem Produkt Glamour verliehen und seinen Absatz garantierten. [1]

In der Zeit des Studiosystems, d. h. seit den 1920er bis in die 1950er Jahre, war es in Hollywood üblich, Darsteller durch langfristige – meist siebenjährige – Studioverträge an eine Produktionsgesellschaft zu binden. Der Hauptnutzen dieser Praxis lag bei den großen Studios, die damit sicherstellten, dass die Stars, die sie zu Galionsfiguren des Unternehmens aufgebaut hatten, nicht nach kurzer Zeit zur Konkurrenz wechselten. Den weniger bekannten Darstellern boten die langfristigen Kontrakte zwar eine gewisse materielle Sicherheit – im Gegensatz zu den Stars, denen innerhalb der Angebote des Studios oft eine gewisse Wahlfreiheit eingeräumt wurde, mussten sie jedoch die Rollen annehmen, für die das Unternehmen sie jeweils auswählte. Diese Auswahl geschah nach rein unternehmerischen Gesichtspunkten; eine Personalentwicklung im modernen Sinne – als gezielte Förderung von Talenten – fand nicht statt. Unter diesen Verhältnissen litten nicht nur begabte Nebendarsteller, denen die Studios interessante Rollen vorenthielten, sondern auch namhafte Persönlichkeiten wie z. B. Marilyn Monroe, die von der 20th Century Fox zwar als Star aufgebaut, aus unternehmerischen Gründen jedoch in einem Rollenfach eingesetzt wurde, in dem sie ihr schauspielerisches Potential niemals voll entwickeln konnte.

Seit den frühen 1950er Jahren wurden die langfristigen Studioverträge allmählich durch Einzelverträge (one picture deals) abgelöst, die die Schauspieler nur noch für individuelle Produktionsprojekte banden. Marlon Brando war einer der ersten Hollywood-Stars, der in den Genuss dieser Lockerung kam. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung der Agenten (talent agents). Die Agenturen, die zunächst nur Filmengagements vermittelt hatten, erweiterten ihren Aufgabenbereich bald erheblich. So entwickelte sich etwa die Music Corporation of America (MCA), die 1924 als Musikagentur gegründet worden war, zur größten Filmagentur Hollywoods, die den Studios nicht nur Schauspieler, sondern ganze Leistungspakete aus Drehbüchern, Regisseuren und Stars anbot, mit denen sie z. B. die Universal Pictures praktisch kontrollierte. Üblich wurden seit den 1950er Jahren auch Verträge, die eine Beteiligung der Stars am Gewinn einer Filmproduktion vorsahen.[2]

Gegenwart

Auch heute ist der Arbeitsmarkt für Filmschauspieler in den USA von extremer Konkurrenz geprägt. Die Chancen, in diesem Beruf regelmäßige Beschäftigung zu finden, sind sehr gering; die besten Aussichten, mit der Filmschauspielerei ihren Lebensunterhalt zu verdienen, haben Kinder und Jugendliche sowie Nachkommen namhafter Hollywoodstars. Viele Filmschauspieler haben ihre Karriere auch an Theatern in Los Angeles oder am Broadway begonnen. Viele der heute aktiven amerikanischen Filmschauspieler haben Schauspiel studiert und bilden ihre Methode laufend fort, andere verfügen über keinerlei formale Ausbildung. Auch heute wird in den meisten Filmproduktionen der Löwenanteil des für die Darsteller vorgesehenen Budgets an die Stars ausgezahlt, während für weniger bekannte Mitwirkende nur geringe Beträge übrig bleiben. Ein erheblicher Anteil der in Hollywood lebenden Schauspieler erhält nur unregelmäßig Filmangebote und ist auf berufsfremde Nebentätigkeiten angewiesen; andere arbeiten, um ihre Berufspraxis nicht zu verlieren, unentgeltlich; den meisten ermöglicht ihr Einkommen nicht mehr als einen Mittelschichts-Lebensstil. Von den in Hollywood lebenden Filmschauspielern, die nicht arbeitslos sind, haben nur 10 % ein jährliches Einkommen von mehr als 75.046 Dollar.[3